Warum Californio-Pferdeausbildung in der heutigen Zeit?

Warum Californio-Pferdeausbildung in der heutigen Zeit?

Autor: Siegfried Peosker – 

Vorangegangene Artikel

Die Pferde der Californios – Klassische Reitkunst auf der Rinderweide?

Der Californios-Stil, Wurzeln in der klassischen Reitkunst

Pferdeausbildung im Californio-Stil

sind bei weitem keine umfassende Beschreibung des Californio-Stils der Pferdeausbildung. Zum Beispiel bleibt noch vieles zu sagen in Bezug auf die verschiedenen Gebisse, mit denen ein Bridle-Pferd geritten werden kann, und hinsichtlich der Unterschiede zu landläufigen Ausbildungsmethoden. Wie alle bewährten Methoden der Pferdeausbildung erfordert der Californio-Stil jedoch viel Zeit, Geduld und vor allem Gefühl bei der Arbeit mit dem Pferd. Dabei geht es weder um Unterjochen noch Verwöhnen des Pferdes. Das Ziel ist ein rittiges und zuverlässiges Pferd, das seinen Reiter lange und ohne gesundheitliche Schäden tragen kann. Ein derart solide ausgebildetes Pferd ist sehr angenehm zu reiten und es weiß sich auch am Boden zu benehmen – sei es beim Führen, Putzen, Verladen oder beim Schmied.

Nach dem 2. Weltkrieg geriet die Californio-Reitweise fast in Vergessenheit. Nur wenige Californios und die Buckaroos des Great Basin hielten ihre traditionelle Arbeitsweise aufrecht. Mittlerweile haben jedoch in den USA landesweit vertriebene Zeitschriften wie Western Horseman Artikel über den Californio-Stil der Pferdeausbildung und Ausbilder wie Mike Bridges veröffentlicht. Ed Connells neu aufgelegte Bücher über die Ausbildung des Hackamore- und Bridle-Pferdes finden heute großes Interesse als ein Zeugnis einer fast verlorenen Pferdekultur. Reit- und Ropingkurse, die von Californio-Ausbildern angeboten werden, sind gut besucht. Dank der Bemühungen von Pferdeleuten wie Tom and Bill Dorrance, Ray Hunt, Pat Puckett, Buck Brannaman, Richard Caldwell, Alfonso Aguilar und vielen anderen erfährt dieser Reitstil mit uralten Wurzeln ein wohlverdientes Comeback und hat die Aufmerksamkeit von Pferdeleuten in aller Welt geweckt.

Pferdeausbildung im Californio-Stil

Pferdeausbildung im Californio-Stil

Autor: Siegfried Peosker – 

Der Californio-Stil unterscheidet sich vom texanischen Cowboy-Stil in Ausrüstung, Arbeitsstil mit Pferden und Rindern sowie einem viel größeren Zeitaufwand für die Pferdeausbildung.

Die traditionelle Californio-Ausbildung umfasst mehrere Phasen der Ausbildung. Nach der Bodenarbeit wird das junge Pferd in einer dicken Hackamore angeritten. Eine Hackamore besteht aus einem kunstvoll geflochtenen Rohleder-Bosal mit Rohlederkern, an dessen unteren Teil eine ca. 7 m lange Mecate gleichen Durchmessers geknotet wird. Eine Mecate wird kunstvoll aus Pferdehaar verschiedener Farbschattierungen, vorzugsweise aus dem weicheren Mähnenhaar, oder aus Mohair bzw. Kunstfasern gedreht. Ein Bosal mit Mecate wird als Hackamore bezeichnet. Die Mecate wird als durchgehender Zügel und ihr Ende als Führstrick verwendet. Das Anreiten mit der gebisslosen Hackamore schont nicht nur das empfindliche Maul des jungen Pferdes, sondern ermöglicht auch dessen weitere Ausbildung während des Zahnwechsels, der bei der Arbeit mit Gebiss Probleme bereiten kann. Die Hackamore unterscheidet sich in ihrer Funktionsweise erheblich von der Trense. Die einseitigen Zügelhilfen wirken auf den Nasenrücken und die Wangen des Pferdes ein. In der Hackamore lernt das Pferd, am lockeren Zügel in Selbsthaltung zu arbeiten, sich auf der Hinterhand zu tragen und eine anatomisch günstige Arbeitshaltung zu finden. Im Gegensatz zur Arbeit in der Trense gibt das Pferd in der Hackamore mehr im Widerristbereich als im Genick nach. Dies erleichtert es dem Pferd, sich zu versammeln, da sich die versammelnde Wirkung durch den gesamten Pferdekörper zieht. Das Pferd wölbt sich im Rücken nach oben, was ihm die Arbeit unter dem Reiter leichter und angenehmer macht. Durchlässigkeit und präzise Arbeit in Höchstgeschwindigkeit sind das Ziel. Dabei geht es um Gefühl, Balance und richtiges Timing, wie es der große Pferdemann Tom Dorrance so treffend ausdrückte.

Der Reiter sitzt im Gleichgewicht im klassischen Sitz mit langen Steigbügeln. Mit der Zeit lernt das Pferd, den Gewichtshilfen, der einseitigen Hilfengebung mit der Hackamore und den unterstützenden/verstärkenden Schenkelhilfen zu folgen. Wenn seine Reaktionen für den Reiter zufriedenstellend sind, geht er zum nächst kleineren Bosal- und Mecate-Durchmesser über, bis das Pferd mit minimaler Hilfengebung nur in einem dünnen Bosal mit Mecate geritten werden kann. Jetzt kann der Ausbilder beginnen, mit „Two Reins“ (mit Kandaren- und Mecatezügel) zu reiten. Dabei trägt das Pferd einen dünnen Bosalito aus Rohleder mit Mecate und darüber ein Kopfstück mit einem gut ausbalancierten Stangengebiss im Maul.

Diese achtjährige Vollblutstute wird „Straight-up in the Bridle”, d.h. nur mit Kandare, geritten. Obwohl es hier etwas hektischer wird, werden ein lockerer Zügel, Aufrichtung und Versammlung beibehalten. (Pat Puckett, Aliso Ranch, Ventura, CA).

Am Anfang benutzt der Reiter nur die Mecate-Zügel für einseitige Zügelsignale. Im Laufe der weiteren Ausbildung geht er dann langsam zum lockeren Romal-Zügel (Kandarenzügel) aus Rohleder über, der mit Zügelketten am Gebiss angebracht ist. Diese stellen ein Gleichgewicht zwischen Gebiss und Zügel her und sorgen dafür, dass die teuren Zügel beim Tränken des Pferdes nicht nass werden. Dann wird das Pferd mit dieser Ausrüstung solange geritten, bis der Reiter das Gefühl hat,, dass er sein Pferd selbst in hektischen Situationen ausschließlich auf Kandare (ohne Unterlegtrense oder Reithalfter) reiten kann. Egal welche Zäumung das Pferd trägt und auf welcher Ausbildungsstufe es sich befindet – das wichtigste Merkmal der Ausbildung des Californio-Pferdes besteht darin, dass Versammlung am lockeren Zügel ohne Anlehnung erreicht wird, dass das Pferd überwiegend mit dem Sitz und Zügelsignalen und dass ohne Hebelwirkung des Gebisses geritten wird.

Die Ausbildung eines gut geschulten Bridle-Pferdes dauert bis zu 5 Jahre und manchmal auch länger. Abkürzungen erweisen sich in der Regel als Umwege oder Rückschritte. Mechanisch wirkendes oder hebelndes Zaumzeug, Ausbinder, Stoßzügel, Schlaufzügel, Martingals usw., die ein Pferd in eine bestimmte Kopfhaltung, Stellung oder Biegung zwingen sollen, werden aus gutem Grund abgelehnt. Es gibt keine Wundermittel, um die Ausbildung des Pferdes zu beschleunigen. Das Pferd wird mit Bodenarbeit auf das erste Aufsitzen vorbereitet. Ein Californio ist stolz darauf, wenn seine Jungpferde beim ersten Mal unter dem Sattel nicht bocken. Allerdings hat er keine

Probleme, falls sein junges Pferd unter dem Sattel explodieren sollte. Jeder Schritt von den verschiedenen Hackamore-Größen über die „Two Reins“ bis hin zu „Straight-up in the Bridle“ muss befolgt werden. Von einem Pferd darf mit Kandare nichts gefordert werden, was es nicht in der Hackamore zu leisten vermag.

Dieser 8-jährige Wallach ist mit blanker Kandare gezäumt. Unter dem Zaumzeug trägt er einen „Pencil Bosal“ mit einem „Get-Down Rope“ aus Mähnenhaar zum Führen und Anbinden des Pferdes. Die Rohlederzügel werden niemals vom Pferdehals heruntergenommen oder zum Anbinden des Pferdes benutzt. Dies könnte das Pferdemaul verletzten oder die teuren Zügel ruinieren. Wenn sich der Reiter im Sattel befindet, wird das „Get-Down Rope“ am Sattel befestigt. Bei dem Sattel handelt es sich um einen Wade- Sattel, wie er bevorzugt von Buckaroos und Californios benutzt wird. Das Pferd ist gehobbelt, um es am Herumtreten oder Weglaufen zu hindern. Das „Hobbeln“ ist Teil der Pferdeerziehung vieler Californios.

Der Californio-Stil, Wurzeln in der klassischen Reitkunst

Der Californio-Stil, Wurzeln in der klassischen Reitkunst

Autor: Siegfried Peosker – 

Wurzeln in der klassischen Reitkunst

Der Californio-Stil hat seine Wurzeln in Reitweisen, die in den vergangenen Jahrtausenden auf beiden Seiten der Straße von Gibraltar, d.h. der iberischen Halbinsel und in Nordafrika, entwickelt wurden. Der Vorläufer der Hackamore der Californios wurde von maurischen Reitern entwickelt, die damit ihre Berberpferde schulten. Später wurden die maurischen Pferde und uralten iberischen Pferderassen zu den Stammvätern und –müttern der Lusitanos und Andalusier. Dies waren auch die Pferde, die von den spanischen Eroberern in die Neue Welt gebracht wurden. Diese Pferde wurden dann zu den Stammvätern und -müttern großer Mesteño-Herden (spanisches Wort für Mustang) im nordamerikanischen Westen. Zusammen mit dem Pferd brachten die Spanier das Rind und den iberischen Reitstil nach Mexiko, der sich dann in den Norden des Kontinents ausbreitete. Die kalifornischen Vaqueros, zumeist Indianer und Mestizen, integrierten viele Elemente der damaligen klassischen europäischen Reitweise der spanischen Padres, Dons und Soldaten in die Ausbildung ihrer Hirtenpferde. Diese Ausbildungskonzepte wurden der harten Arbeit mit wilden Rindern und Pferden angepasst und selbst Grizzlybären, die größten und gefährlichsten Bären Nordamerikas, wurden mit der Reata (einem aus Rohlederstreifen gefertigten Lasso) eingefangen. So entwickelte sich lange, bevor Kalifornien zu einem Teil der USA wurde, an der wilden Südküste Kaliforniens ein Reitstil, der sich sehr vom hierzulande bekannten Westernreiten unterscheidet.

Die Gebrauchsreitstile des amerikanischen Westens – sei es der Californio-Stil oder der Cowboystil in anderen Teilen der USA – entwickelten sich aus der Arbeit mit mehr oder weniger wilden Rindern, die im weiten uneingezäunten Westen umherstreiften. Die Arbeits- und Reitstile der nordamerikanischen Rinderhirten haben ihre Wurzeln in den aus dem Gebiet des heutigen Mexiko stammenden Vaquero- Traditionen. Der Vaquero (spanisch für Rinderhirte) erfand die Kunst des Einfangens von Rindern zu Pferde mit dem Lasso, die in Spanien unbekannt war, und er griff bei seiner Pferdeausbildung auf Elemente der klassischen Reitkunst zurück. Während die Vaqueros Kaliforniens und später die Buckaroos (verballhornte Aussprache von ,Vaqueros’) im Great Basin der USA (Teile von Nevada, Nordkalifornien, Oregon, Idaho, und Utah) den Reit- und Arbeitsstil der Vaqueros bewahrten, passten sich die Cowboys in Texas und benachbarten Regionen örtlichen Anforderungen an. Nach dem Krieg mit Mexiko und der Schlacht um den Alamo im heutigen San Antonio, TX, im Jahr 1836 wandten sich viele Texaner aus patriotischen Gründen vom mexikanischen Lebensstil und auch dem Vaquero-Stil der Pferdeausbildung ab. Man freundete sich mehr mit den angloamerikanischen Einflüssen an, was sich auch auf die Pferdeausbildung und den Umgang mit Rindern auswirkte. Zu jener Zeit war auch die Glanzzeit der kalifornischen Missionen und Ranchos mit ihren riesigen Viehherden vorbei. Die kalifornische Viehindustrie erlitt Mitte des 19. Jahrhunderts große Verluste aufgrund einer anhaltenden Dürrezeit. Viele Rancher mussten die Viehzucht aufgeben. Große Ranchbetriebe wie z. B. Miller & Lux zogen in die Region des Great Basin. Kalifornische Vaqueros begleiteten diese Herden in den Norden und Osten und brachten ihre Traditionen und ihre Art der Pferdeausbildung in diese Gegend. Dort entwickelte sich aus dem Vaquero-Stil der Buckaroo-Stil. Dieser noch heute gepflegte Westernreitstil entspricht in vielerlei Hinsicht dem Ausbildungsstil der altkalifornischen Vaqueros.

Als sich dann Hollywood der Geschichte des Wilden Westens annahm und das romantisierte Bild des unabhängigen und freiheitsliebenden (zumeist weißen) Cowboys schuf, geriet das Wissen und die Rolle der Vaqueros in der nordamerikanischen Geschichte langsam in Vergessenheit. Schon bald wurde der mexikanische Vaquero zur Spottfigur oder zum dunklen, wenig vertrauenswürdigen Gegner des Westerheldens, während seine Reitausrüstung wie zum Beispiel das alte spanische Spade-Gebiss aus Unwissenheit zum Folterinstrument herabgewürdigt wurde.

Dieses in der Ausbildung fortgeschrittene Pferd wird im „Two Reins” (mit Kandaren- sowie Mecate-Zügel aus Mähnenhaar) geritten. Der Reiter gibt Gewichtshilfen, fast unmerkliche Zügelhilfen und setzt den linken Schenkel zur Verstärkung ein. Über die Kandare mit Santa Barbara-Bäumen wird ein federleichtes Signal ohne jegliche Hebelwirkung an das Pferdemaul geschickt. Falls das Pferd ein Signal am Gebiss nicht versteht, greift der Reiter auf die dem Pferd gut bekannte (hier lockere) Mecate zurück, um seine Absicht dem Pferd verständlich zu machen. (Ron Breines, Ponderosa, NM)