Autor: Siegfried Peosker – 

Der Californio-Stil unterscheidet sich vom texanischen Cowboy-Stil in Ausrüstung, Arbeitsstil mit Pferden und Rindern sowie einem viel größeren Zeitaufwand für die Pferdeausbildung.

Die traditionelle Californio-Ausbildung umfasst mehrere Phasen der Ausbildung. Nach der Bodenarbeit wird das junge Pferd in einer dicken Hackamore angeritten. Eine Hackamore besteht aus einem kunstvoll geflochtenen Rohleder-Bosal mit Rohlederkern, an dessen unteren Teil eine ca. 7 m lange Mecate gleichen Durchmessers geknotet wird. Eine Mecate wird kunstvoll aus Pferdehaar verschiedener Farbschattierungen, vorzugsweise aus dem weicheren Mähnenhaar, oder aus Mohair bzw. Kunstfasern gedreht. Ein Bosal mit Mecate wird als Hackamore bezeichnet. Die Mecate wird als durchgehender Zügel und ihr Ende als Führstrick verwendet. Das Anreiten mit der gebisslosen Hackamore schont nicht nur das empfindliche Maul des jungen Pferdes, sondern ermöglicht auch dessen weitere Ausbildung während des Zahnwechsels, der bei der Arbeit mit Gebiss Probleme bereiten kann. Die Hackamore unterscheidet sich in ihrer Funktionsweise erheblich von der Trense. Die einseitigen Zügelhilfen wirken auf den Nasenrücken und die Wangen des Pferdes ein. In der Hackamore lernt das Pferd, am lockeren Zügel in Selbsthaltung zu arbeiten, sich auf der Hinterhand zu tragen und eine anatomisch günstige Arbeitshaltung zu finden. Im Gegensatz zur Arbeit in der Trense gibt das Pferd in der Hackamore mehr im Widerristbereich als im Genick nach. Dies erleichtert es dem Pferd, sich zu versammeln, da sich die versammelnde Wirkung durch den gesamten Pferdekörper zieht. Das Pferd wölbt sich im Rücken nach oben, was ihm die Arbeit unter dem Reiter leichter und angenehmer macht. Durchlässigkeit und präzise Arbeit in Höchstgeschwindigkeit sind das Ziel. Dabei geht es um Gefühl, Balance und richtiges Timing, wie es der große Pferdemann Tom Dorrance so treffend ausdrückte.

Der Reiter sitzt im Gleichgewicht im klassischen Sitz mit langen Steigbügeln. Mit der Zeit lernt das Pferd, den Gewichtshilfen, der einseitigen Hilfengebung mit der Hackamore und den unterstützenden/verstärkenden Schenkelhilfen zu folgen. Wenn seine Reaktionen für den Reiter zufriedenstellend sind, geht er zum nächst kleineren Bosal- und Mecate-Durchmesser über, bis das Pferd mit minimaler Hilfengebung nur in einem dünnen Bosal mit Mecate geritten werden kann. Jetzt kann der Ausbilder beginnen, mit „Two Reins“ (mit Kandaren- und Mecatezügel) zu reiten. Dabei trägt das Pferd einen dünnen Bosalito aus Rohleder mit Mecate und darüber ein Kopfstück mit einem gut ausbalancierten Stangengebiss im Maul.

Diese achtjährige Vollblutstute wird „Straight-up in the Bridle”, d.h. nur mit Kandare, geritten. Obwohl es hier etwas hektischer wird, werden ein lockerer Zügel, Aufrichtung und Versammlung beibehalten. (Pat Puckett, Aliso Ranch, Ventura, CA).

Am Anfang benutzt der Reiter nur die Mecate-Zügel für einseitige Zügelsignale. Im Laufe der weiteren Ausbildung geht er dann langsam zum lockeren Romal-Zügel (Kandarenzügel) aus Rohleder über, der mit Zügelketten am Gebiss angebracht ist. Diese stellen ein Gleichgewicht zwischen Gebiss und Zügel her und sorgen dafür, dass die teuren Zügel beim Tränken des Pferdes nicht nass werden. Dann wird das Pferd mit dieser Ausrüstung solange geritten, bis der Reiter das Gefühl hat,, dass er sein Pferd selbst in hektischen Situationen ausschließlich auf Kandare (ohne Unterlegtrense oder Reithalfter) reiten kann. Egal welche Zäumung das Pferd trägt und auf welcher Ausbildungsstufe es sich befindet – das wichtigste Merkmal der Ausbildung des Californio-Pferdes besteht darin, dass Versammlung am lockeren Zügel ohne Anlehnung erreicht wird, dass das Pferd überwiegend mit dem Sitz und Zügelsignalen und dass ohne Hebelwirkung des Gebisses geritten wird.

Die Ausbildung eines gut geschulten Bridle-Pferdes dauert bis zu 5 Jahre und manchmal auch länger. Abkürzungen erweisen sich in der Regel als Umwege oder Rückschritte. Mechanisch wirkendes oder hebelndes Zaumzeug, Ausbinder, Stoßzügel, Schlaufzügel, Martingals usw., die ein Pferd in eine bestimmte Kopfhaltung, Stellung oder Biegung zwingen sollen, werden aus gutem Grund abgelehnt. Es gibt keine Wundermittel, um die Ausbildung des Pferdes zu beschleunigen. Das Pferd wird mit Bodenarbeit auf das erste Aufsitzen vorbereitet. Ein Californio ist stolz darauf, wenn seine Jungpferde beim ersten Mal unter dem Sattel nicht bocken. Allerdings hat er keine

Probleme, falls sein junges Pferd unter dem Sattel explodieren sollte. Jeder Schritt von den verschiedenen Hackamore-Größen über die „Two Reins“ bis hin zu „Straight-up in the Bridle“ muss befolgt werden. Von einem Pferd darf mit Kandare nichts gefordert werden, was es nicht in der Hackamore zu leisten vermag.

Dieser 8-jährige Wallach ist mit blanker Kandare gezäumt. Unter dem Zaumzeug trägt er einen „Pencil Bosal“ mit einem „Get-Down Rope“ aus Mähnenhaar zum Führen und Anbinden des Pferdes. Die Rohlederzügel werden niemals vom Pferdehals heruntergenommen oder zum Anbinden des Pferdes benutzt. Dies könnte das Pferdemaul verletzten oder die teuren Zügel ruinieren. Wenn sich der Reiter im Sattel befindet, wird das „Get-Down Rope“ am Sattel befestigt. Bei dem Sattel handelt es sich um einen Wade- Sattel, wie er bevorzugt von Buckaroos und Californios benutzt wird. Das Pferd ist gehobbelt, um es am Herumtreten oder Weglaufen zu hindern. Das „Hobbeln“ ist Teil der Pferdeerziehung vieler Californios.