Autor: Siegfried Peosker –
Wurzeln in der klassischen Reitkunst
Der Californio-Stil hat seine Wurzeln in Reitweisen, die in den vergangenen Jahrtausenden auf beiden Seiten der Straße von Gibraltar, d.h. der iberischen Halbinsel und in Nordafrika, entwickelt wurden. Der Vorläufer der Hackamore der Californios wurde von maurischen Reitern entwickelt, die damit ihre Berberpferde schulten. Später wurden die maurischen Pferde und uralten iberischen Pferderassen zu den Stammvätern und –müttern der Lusitanos und Andalusier. Dies waren auch die Pferde, die von den spanischen Eroberern in die Neue Welt gebracht wurden. Diese Pferde wurden dann zu den Stammvätern und -müttern großer Mesteño-Herden (spanisches Wort für Mustang) im nordamerikanischen Westen. Zusammen mit dem Pferd brachten die Spanier das Rind und den iberischen Reitstil nach Mexiko, der sich dann in den Norden des Kontinents ausbreitete. Die kalifornischen Vaqueros, zumeist Indianer und Mestizen, integrierten viele Elemente der damaligen klassischen europäischen Reitweise der spanischen Padres, Dons und Soldaten in die Ausbildung ihrer Hirtenpferde. Diese Ausbildungskonzepte wurden der harten Arbeit mit wilden Rindern und Pferden angepasst und selbst Grizzlybären, die größten und gefährlichsten Bären Nordamerikas, wurden mit der Reata (einem aus Rohlederstreifen gefertigten Lasso) eingefangen. So entwickelte sich lange, bevor Kalifornien zu einem Teil der USA wurde, an der wilden Südküste Kaliforniens ein Reitstil, der sich sehr vom hierzulande bekannten Westernreiten unterscheidet.
Die Gebrauchsreitstile des amerikanischen Westens – sei es der Californio-Stil oder der Cowboystil in anderen Teilen der USA – entwickelten sich aus der Arbeit mit mehr oder weniger wilden Rindern, die im weiten uneingezäunten Westen umherstreiften. Die Arbeits- und Reitstile der nordamerikanischen Rinderhirten haben ihre Wurzeln in den aus dem Gebiet des heutigen Mexiko stammenden Vaquero- Traditionen. Der Vaquero (spanisch für Rinderhirte) erfand die Kunst des Einfangens von Rindern zu Pferde mit dem Lasso, die in Spanien unbekannt war, und er griff bei seiner Pferdeausbildung auf Elemente der klassischen Reitkunst zurück. Während die Vaqueros Kaliforniens und später die Buckaroos (verballhornte Aussprache von ,Vaqueros’) im Great Basin der USA (Teile von Nevada, Nordkalifornien, Oregon, Idaho, und Utah) den Reit- und Arbeitsstil der Vaqueros bewahrten, passten sich die Cowboys in Texas und benachbarten Regionen örtlichen Anforderungen an. Nach dem Krieg mit Mexiko und der Schlacht um den Alamo im heutigen San Antonio, TX, im Jahr 1836 wandten sich viele Texaner aus patriotischen Gründen vom mexikanischen Lebensstil und auch dem Vaquero-Stil der Pferdeausbildung ab. Man freundete sich mehr mit den angloamerikanischen Einflüssen an, was sich auch auf die Pferdeausbildung und den Umgang mit Rindern auswirkte. Zu jener Zeit war auch die Glanzzeit der kalifornischen Missionen und Ranchos mit ihren riesigen Viehherden vorbei. Die kalifornische Viehindustrie erlitt Mitte des 19. Jahrhunderts große Verluste aufgrund einer anhaltenden Dürrezeit. Viele Rancher mussten die Viehzucht aufgeben. Große Ranchbetriebe wie z. B. Miller & Lux zogen in die Region des Great Basin. Kalifornische Vaqueros begleiteten diese Herden in den Norden und Osten und brachten ihre Traditionen und ihre Art der Pferdeausbildung in diese Gegend. Dort entwickelte sich aus dem Vaquero-Stil der Buckaroo-Stil. Dieser noch heute gepflegte Westernreitstil entspricht in vielerlei Hinsicht dem Ausbildungsstil der altkalifornischen Vaqueros.
Als sich dann Hollywood der Geschichte des Wilden Westens annahm und das romantisierte Bild des unabhängigen und freiheitsliebenden (zumeist weißen) Cowboys schuf, geriet das Wissen und die Rolle der Vaqueros in der nordamerikanischen Geschichte langsam in Vergessenheit. Schon bald wurde der mexikanische Vaquero zur Spottfigur oder zum dunklen, wenig vertrauenswürdigen Gegner des Westerheldens, während seine Reitausrüstung wie zum Beispiel das alte spanische Spade-Gebiss aus Unwissenheit zum Folterinstrument herabgewürdigt wurde.
Dieses in der Ausbildung fortgeschrittene Pferd wird im „Two Reins” (mit Kandaren- sowie Mecate-Zügel aus Mähnenhaar) geritten. Der Reiter gibt Gewichtshilfen, fast unmerkliche Zügelhilfen und setzt den linken Schenkel zur Verstärkung ein. Über die Kandare mit Santa Barbara-Bäumen wird ein federleichtes Signal ohne jegliche Hebelwirkung an das Pferdemaul geschickt. Falls das Pferd ein Signal am Gebiss nicht versteht, greift der Reiter auf die dem Pferd gut bekannte (hier lockere) Mecate zurück, um seine Absicht dem Pferd verständlich zu machen. (Ron Breines, Ponderosa, NM)